Was haben diese Verkehrszeichen und ein Begrenzungspfosten mit Wappen gemeinsam?

 

Sie wollen auf sich aufmerksam machen!

Und dazu nutzen sie die Regeln der Heraldik: Der Farbkontrast muss ins Auge stechen, damit Verkehrszeichen und Begrenzungspfosten nicht übersehen werden.

Wie in der Heraldik gilt auch hier, dass sich helle mit dunklen Farben abwechseln müssen, damit gute Erkennbarkeit gewährleistet ist.

Begrenzungspfosten vor einer Lieferzufahrt

© Dieter Linder

 

 

Verkehrszeichen

 

Kleine Wappenkunde

Wappen im Alltag

Wappen oder wappenähnliche Bilder tauchen im Alltag in großer Zahl und an den verschiedensten Orten auf. Urlaubsreisende kleben ein Wappen des Ziellandes auf ihr Auto, an den Grenzen von Ländern und sogar von Landkreisen werden repräsentativ die Hoheitszeichen auf Schildern angebracht. Während Städte ihre Wappen stolz auf Einrichtungen vom Rathaus über kommunale Verkehrsmittel bis hin zum Müllabfuhrwagen abbilden, demonstrieren Staaten ihre Hoheitsrechte mit Wappenwiedergaben auf Geldscheinen, Münzen und Briefmarken.

Im nichtstaatlichen Bereich zeigen Firmen und Bildungseinrichtungen Wappen oder das, was sie dafür halten, auf Briefköpfen und Firmenprodukten. Privatpersonen finden ebenfalls Gefallen an den bunten Persönlichkeitszeichen und lassen sich ihr Familienwappen auf Pergament, Siegelringen oder handbemalten Glasscheiben anbringen.

Besonders in Bereichen, wo Tradition und Bildung betont werden, wird überdurchschnittlich oft zu Wappen als Werbeträgern gegriffen: Privatschulen, Antiquitätenhandlungen, Juweliergeschäfte, Luxushotels oder restaurants. Kurzum, dem nichtstaatlichen Wappengebrauch hängt in Deutschland (noch) der Hauch des Spleenigen, Extravaganten an.

Obwohl in Deutschland der öffentliche Gebrauch von Familienwappen im Gegensatz etwa zu Tirol noch in den Kinderschuhen steckt und in manchen Kreisen als verpönt gilt, lässt sich ein stetig wachsendes Interesse an den jahrhundertealten Zeichen feststellen. Familienwappen erfreuten sich früher großer Beliebtheit, und es scheint so, als würden in Deutschland neben staatlichen Einrichtungen nun auch Privatpersonen wieder Gefallen an der Verwendung von Wappen finden.

 

Flagge der Gemeinde Grafrath
mit aufgelegtem Gemeindewappen,
Lkr. Fürstenfeldbruck

© Dieter Linder


Wappenadler auf der deutschen 1-Euro-Münze

© Dieter Linder

 

Wappenadler der Bundesrepublik Deutschland
auf alten DM-Münzen

© Dieter Linder

 

Wappen des portugiesischen Königssohns
Heinrich des Seefahrers

 

Die Fahne der Evangelisch-lutherischen Kirche

Bierdeckel der Spaten-Brauerei München,
Wappenentwurf von Otto Hupp

© Dieter Linder

Bierdeckel des Augustiner-Bräus, München
(oben das Brauereiwappen,
links das alte herzoglich-bayerische Wappen,
rechts das Wappen Münchens)

© Dieter Linder

Was sind Wappen?

Vor einer näheren Beschäftigung mit Wappen muss zunächst dieser Begriff eingegrenzt werden, damit klar wird, wovon hier die Rede ist. Würde man den gerne zitierten Mann auf der Straße fragen, was er unter Wappen versteht, so bekäme man wohl zur Antwort: bunte Bilder mit Löwen und Adlern und allerlei anderem Getier, die von Ländern und Vereinen benutzt werden.

Der Begriff Familienwappen dürfte reichlich spät fallen, obwohl Wappen ursprünglich zunächst nur als das Zeichen einer bestimmten Person aufgefasst wurden, das dann auf die Familie übertragen und in dieser weitergegeben wurde.

Präzise formuliert, sind Wappen gleichbleibende Bildkennzeichen einer Körperschaft oder einer Familie und werden bei letzterer im Mannesstamm (»agnatisch«) wie der Familienname mit der Geburt weitergegeben. Damit diese Sinnbilder den Namen Wappen verdienen, müssen sie in ihrem Aufbau einigen strengen, aus dem Mittelalter herrührenden Regeln genügen.

Die Annahme eines Wappens als Familiensymbol war und ist – entgegen einer weitverbreiteten Ansicht – jeder Familie freigestellt. Allerdings bemühten sich in der Vergangenheit die Wappenführenden, durch ein herrschaftliches Diplom die Anerkennung und den damit verbundenen Schutz ihres Sinnbildes zu erlangen. Das Recht auf freie Wappenannahme wurde durch fürstliche Wappenverleihungen oder bestätigungen eines bereits in der Familie geführten Wappens nicht beeinträchtigt, sondern lediglich ergänzt.

Anders verhält sich dies heute nur noch in Monarchien wie Großbritannien, wo formell immer noch der Souverän über die Wappenführung gebietet. Der Wappenträger war aber besser gegen Missbrauch des eigenen Wappens durch Fremde abgesichert, wenn er in Streitfällen einen Wappenbrief des Landesherrn vorweisen konnte. Im übrigen waren in der Vergangenheit juristische Dispute um Wappen häufiger als allgemein angenommen, und leider wurden manches Mal dafür sogar Kriege vom Zaun gebrochen.

Um einen weiteren Irrglauben zu widerlegen: Die Verleihung eines Wappens durch einen Fürsten war keineswegs automatisch mit der Erhebung in den Adelsstand verbunden, jedoch bildeten sich mit der Zeit Differenzierungen in den Wappenelementen bürgerlicher bzw. adeliger Familien heraus, auf die auch heute noch bei der Stiftung eines Familienwappens Rücksicht genommen werden sollte.

Wappen ratsfähiger Bürgerfamilien, Anfang 17. Jh. (Ratswahlbuch Pfarrkirchen)

© Thomas Weber

 

 

 

 

Exlibris von Lars C. Stolt,
Wappen- und Flaggenkundler,
Militärmusikkomponist und Exlibrissammler,
Schweden

© Dieter Linder

Weinetikett mit Familienwappen

© Dieter Linder

 

Funktion

Ein Wappen soll identifizieren helfen und gleichsam den Träger selbst, seinen Namen, seine Familie versinnbildlichen. Es war daher naheliegend, dass bei der Wappenannahme der Stifter Bildmotive wählte, mit denen er sich selbst identifizieren konnte. So boten sich Tiere an, die als mutig galten, wie Löwe und Adler, oder Symbole, die als geheiligt betrachtet wurden, wie das Kreuz Christi und die Lilien Mariens.

Indessen existieren so gut wie keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Gründe, weshalb diese oder jene Motive und Farben Beachtung fanden, so dass nur in den Fällen, wo das Wappenbild auf den Familiennamen Bezug nimmt, die Motivwahl klar wird. Solche Wappen heißen dann »sprechend”.

Dazu zählt etwa der schlichte und dennoch aussagekräftige Wappenschild des Bartholomäus Ochsenfuß auf dessen Grabplatte aus dem Jahr 1470, der zwei gekreuzte Ochsenfüße zeigt. Dieses Wappen liegt in der denkbar knappesten Ausführung vor: Schild mit Bildmotiv, aber ohne jegliche Zutaten wie Helmdecken oder Helm.

Es kam aber auch vor, dass ein Lehnsmann das Wappenbild seines Lehnsherrn übernahm – selbstverständlich mit geziemender Abänderung einiger Details. Mitunter lassen sich dann regelrechte Abstammungstheorien für die Wappenbilder erschließen.

 

Bestandteile und Aufbau

Wie ist nun ein komplettes Wappen, ein Vollwappen, aufgebaut? Das Vollwappen besteht aus dem Wappen im engeren Sinn, dem Schild, sowie dem Oberwappen. In seltenen Fällen kommen als drittes Element noch Prachtstücke hinzu.

Diese Zusammenstellung von Einzelelementen zu einem Vollwappen ist an die Zeichnungen in den mittelalterlichen Turnierbüchern angelehnt. Das Vollwappen kann sozusagen als grafische Zusammenstellung dessen betrachtet werden, was ein Ritter im Turnier getragen hat. Im Kampf war es freilich kaum praktikabel, den Helm mit der zerbrechlichen und sperrigen Helmzier zu besetzen.

Der Schild (im Plural »die Schilde«) mit dem Bildmotiv stellt den Hauptbestandteil des Wappens dar und kann auch für sich alleine stehen, während das Oberwappen alleine nicht abgebildet wird. Das Oberwappen untergliedert sich in Helm, Helmdecken und Helmzier.


 

Grabdenkmal des Bartholomäus Ochsenfuß aus dem Jahr 1470, Stadtpfarrkirche Pfarrkirchen

© Gerti Dilling

 

 

Ausschnitt aus dem Grabdenkmal der Familie Offenheimer aus dem Jahr 1589, Stadtpfarrkirche Pfarrkirchen
(Ehewappen, bei dem das Vollwappen des Mannes dem der Frau aus Courtoisie zugewendet, d. h. gespiegelt wurde)

© Gerti Dilling

Die heraldische Stilisierung

Eine Besonderheit der Wappenkunst findet sich im sogenannten heraldischen Stil, der vom Kunststil der jeweiligen Epoche zu unterscheiden ist. Dem Außenstehenden springt sofort die eigenartige, ja faszinierende Darstellungsweise von Tieren und Gegenständen ins Auge. Über die verschiedenen Zeitepochen hinweg blieb der heraldische Stil unverwechselbar und sich selbst treu, auch wenn er sich an den Zeitgeschmack flexibel anzupassen vermochte.

Die teilweise verzerrte Darstellungsweise und die unnatürlichen Größenverhältnisse liegen weiterhin darin begründet, dass ein gelungenes Wappenbild die gegebene Schildfläche so weit wie möglich ausschöpfen soll. Die Erkennbarkeit des Schildmotives aus größerer Entfernung muss stets gewährleistet sein.

Bezeichnend für den heraldischen Stil ist auch das Prinzip des »pars pro toto«, d. h. dass statt des Ganzen ein repräsentativer Teil dargestellt wird. Anstelle eines raumausfüllenden Löwen erscheint beispielsweise nur dessen Haupt, um noch weitere Bilder im selben Schild aufnehmen zu können.

So kann die Aussagekraft eines Wappens steigen, wenn weniger Schildelemente miteinander kombiniert werden. Überdies können Stellung und Drehung der Motive von der Norm abweichen, um den gegebenen Raum besser zu nutzen. Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.

Der hoch einzustufende Anspruch auf Erkennbarkeit verlangt, dass im Schild eine perspektivische Darstellungsweise vermieden wird. Eine weitere Erklärung für dieses Phänomen ist darin begründet, dass die Beherrschung der Perspektive in der bildenden Kunst erst im Zeitalter der Renaissance gelang – also erst nach der Blütezeit der Wappenkunst.

Als unheraldisch gilt es ferner, Buchstaben oder Zahlen im Schild aufzunehmen. Wiederum fordern Erkennbarkeit, aber auch der im Zeitalter der Wappenkunst weit verbreitete Analphabetismus ihren Tribut. Motive, die in der Entstehungszeit der Wappenkunst unbekannt waren, können prinzipiell unter Beachtung des heraldischen Stils zu Wappenbestandteilen umgezeichnet werden. Behutsamkeit und Fingerspitzengefühl sind dabei aber gefordert.

Resümierend lässt sich festhalten: Wappenkunst ist keine Landschaftsmalerei, die möglichst naturgetreu wiedergeben möchte, sondern sie typisiert, verzerrt und übertreibt bewusst.


 

Grabdenkmal des Albrecht Lenberger aus dem Jahr 1460, Stadtpfarrkirche Pfarrkirchen

© Gerti Dilling


 

 

Copyright © Dieter Linder, Fürstenfeldbruck 2017